Worte an die Gemeinde

Mit Gottes Hilfe

„Das Feuer auf eurem Kirchdach hat mich so sehr an den Krieg erinnert“, rief mir eine alte Dame zu, die ich unlängst im Kiez traf. Sie sah mir an, dass mir der Schock noch in den Knochen saß, und sie sagte: Lassen Sie uns in die Kirche gehen, liebe Frau Pfarrerin.
So spazierten wir gemeinsam zur Zufluchtkirche, ließen uns im Kirchraum nieder und genossen eine Weile die Stille…Und irgendwann begann die alte Dame zu erzählen. Vom Krieg. Von den lauten Sirenen beim Fliegeralarm. Manchmal jede Nacht. Sie erzählte davon, dass sie zweimal ausgebombt war, dass sie zweimal alles verloren hatte. Haus und Hof. Mann im Krieg. Sie erzählte von Hunger im Bauch, von den bitterkalten Nachkriegswintern und ihrer Arbeit als Trümmerfrau in der „Ruine Berlin“. Sie erzählte davon, dass sie ihre vier Kinder allein großgezogen hatte. Und dann sagte sie noch diesen einen Satz, der sich in mein Herz eingeprägt hatte: „Trotzdem habe ich den Glauben an
Gott nie verloren. Und er war immer mit mir.“ Wenn wir auf das Jahr 2020 zurückblicken, scheint es das Krisenjahr schlechthin zu sein: Klimakrise. Flüchtlingskrise. Massiver Antisemitismus und Rechtsextremismus, real und im Internet. Brexit-Krise. Corona-Krise, Welle eins. Gemeinde-Krise durch die Kombination Interim, Bau und Corona. Baukrise durch den Dachstuhlbrand in Jeremia. Corona-Krise, Welle zwei… Das war für die meisten
von uns gefühlt einfach zu viel….Doch immer, wenn ich traurig werde oder mich innerlich aufrege über all die Krisen, denke ich wieder an meine Begegnung mit der alten Dame. Und dann fällt mir auf: Eigentlich gab es ständig Krisen in der Geschichte der Menschheit. Und unsere diesjährigen Krisen sind wahrlich kein leichtes Brot. Aber, so banal das klingen mag, die meisten von uns können sagen: Wir haben genug zu essen für den Tag. Wir haben ein Dach über dem Kopf. Wir können uns schützen vor zu viel schlech-
ten Nachrichten, indem wir unser Smartphone, das Radio oder den Fernseher öfter mal ausschalten. Wir können uns vor Corona schützen, indem wir Abstand halten und Masken tragen. Wir leben in einem demokratischen Land. Und wir leben im Frieden. Das ist viel.
Und wir sollten es schätzen. Gerade in diesen Zeiten. Ansonsten wage ich einen opti-
mistischen Ausblick ins Jahr 2021, erstens, weil ich eine Optimistin bin und zweitens, weil ich glaube, dass Krisen auch etwas in den Menschen bewirken. So denke ich: Im nächsten Jahr wird der Klimawandel stärker angepackt, indem Regierung und Wirtschaft in erneuerbare Energien investieren und darauf achten, dass jeder Einzelne von uns weniger Müll produziert. In der Flüchtlingskrise wird es eine europäische, ja, eine weltweite Lösung geben. Antisemitismus und Extremismus von rechts und von links werden frühzeitiger bekämpft als in der Vergangenheit. Der Brexit wird zur relativen Zufriedenheit aller Betei-
ligten vom Tisch sein. Corona wird abebben. Es wird einen Impfstoff geben. Und die Wirtschaft wird beginnen, sich zu erholen. Wir in Zuflucht-Jeremia werden im Interim wieder mehr Gemeindeleben wagen können und die Verzögerung der Bausanierung und des Rückzugs mit Bravour schultern. Und wir werden zurückschauen und sagen: Wie konnten wir das alles verkraften? Wie konnten wir das alles durchhalten? Und dann gibt es nur eine Antwort: Mit Gottes Hilfe. Und da fallen mir sofort die tröstenden Worte unseres Bruders und Herrn Jesus Christus aus dem Johannesevangelium ein, die mich gerade durch schwere Zeiten immer besonders getragen haben: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“Johannes 10, 11. 27-28.
Gottes Segen fĂĽr Sie, auch im Jahr 2021! Und bleiben Sie gesund!
Von Herzen,
Ihre Pfarrerin Axinia Schönfeld


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